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Auf dem Rothaarsteig von Brilon nach Dillenburg

Die mittlerweile fünf Jahre alte Tradition einer jährlichen Langstreckenwanderung haben wir natürlich auch in diesem Jahr fortgesetzt. Es ging diesmal in eine Landschaft, die ich persönlich nur vom Vorbeifahren her kenne: in das Sauerland. Dort verläuft der 155 km lange Rothaarsteig zwischen den Städten Brilon in Nordrhein-Westfalen und Dillenburg in Hessen. Die Strecke kann in zwei Varianten erwandert werden: gemütlich in acht Tagen und sportlich in sechs Tagen. Wir entschieden uns natürlich für die sportliche Variante. Das bedeutete, dass keine Tagesetappe kürzer als 20 km ist. Am Ende der Tour waren wir ca. 180 km auf den Füßen und erklommen dabei einen Höhenunterschied von knapp 3.000 Metern.


Die Etappen:

  1. Brilon - Willingen
  2. Willingen - Winterberg
  3. Winterberg - Jagdhaus
  4. Jagdhaus - Lützel
  5. Lützel - Hainicher Höhe
  6. Hainicher Höhe - Dillenburg


Schon auf der ersten Etappe beeindruckte die Landschaft mit ihrer Vielfältigkeit. Urige Waldwege, weite Ausblicke, Wiesen und Felder, Felsformationen und ein ziemliches Auf und Ab, was man hier wohl gar nicht vermuten würde. Kurz vorm Ziel der ersten Etappe wurde es etwas kompliziert, denn der Weg zur Unterkunft war offenbar mit einem Fluch belegt. Zunächst mussten wir über in einem Bachlauf liegende Steine das andere Ufer erreichen, da die Brücke zerstört war. Weiter ging es einen steilen Weg hinauf, der von umgestürzten Bäumen blockiert war. Und als Krönung legte eine Brombeerpflanze ihre Fesseln aus, die mich doch tatsächlich zu Fall brachten. Wie sich später noch herausstellen sollte, hatte diese Brombeere auch auf den weiteren Etappen ihre Verbündeten und erhielt fortan den Namen  “Killerbrombeere”.

Ein weiteres Mysterium beschäftigte uns beim Abendessen in unserer Unterkunft in Willingen. Während ich “sautierte Röhrennudeln” verspeiste, beobachteten wir draußen das Treiben eines neu errichteten Sesselliftes. Permanent fuhren dort die Gondeln nach unten ins Tal, allerdings waren sie verkehrt herum eingehängt. Das Verrückte daran: keine einzige fuhr mit der anderen Seite des Seils wieder nach oben. Dieses merkwürdige Geschehen ist bis heute nicht aufgeklärt und ist im Bereich der paranormalen Phänomene einzuordnen.


Die zweite Etappe nach Winterberg war insgesamt eine der abwechslungsreichsten. Das lag nicht nur an dem leckeren Mandarineneisbecher, der uns in Winterberg beglückte. Auch der Abschluss der Etappe war traumhaft. Eine ganze Weile genossen wir das Blubbern der Lennequelle und die uns umgebende Stille auf dem “Kahlen Asten”. In unserer Unterkunft begrüßte uns die dortige Chefin übertrieben freundlich und machte uns sogleich mit ihren Regeln vertraut. Das Abendessen war geschmacklich gut, jedoch völlig überteuert. Überhaupt glich die Atmosphäre dort eher einem Nobelrestaurant, in dem man sich kaum getraut zu atmen. Die Bedienung kam sehr devot daher und erinnerte sehr an einen Nightmare-Film. Beim Frühstück war es kaum anders. Wir staunten über die anderen Gäste; es waren wohl auch alles Wanderer in höherem Alter, jedoch im frisch gebügelten weißen Hemd, megaperl-sauberer Wanderhose und Vogelnestfrisur. Wohin würden diese Menschen wohl wandern? Kurz erwähnen will ich noch das 6,50 Euro teure Lunchpaket mit Luxus-Trinkflasche, die wir weder wollten und auch sonst keiner braucht.


Die wohl schönste Unterkunft hatten wir am Ende der dritten Etappe in Jagdhaus. Man kann sie hier auch mal nennen: “Hotel Schäferhof”. Eingerichtet mit viel Liebe zum Detail, Menschen die dort gerne arbeiten und auch das Abendessen war nicht zu verachten.

Zu Beginn der vierten Etappe war es ziemlich feucht, später nieselte es auch ein wenig. Jedoch sorgte das für eine ganz besondere Stimmung im Wald. Die Luft ließ sich leicht atmen und zwischen den Bäumen stand der Nebel. Wow.


Wenn man eine Langstreckenwanderung macht, dann trifft man öfters mal andere Leute. Der Rothaarsteig war nun keineswegs überlaufen, im Gegenteil. So kamen uns auf der ersten Etappe zwei ältere Herren entgegen, mit denen wir uns kurz unterhielten. Sie wanderten also in die entgegengesetzte Richtung. Wie auch andere Leute, denen wir begegneten. Auf der zweiten Etappe kamen uns zwei ältere Herren entgegen, mit denen wir uns kurz unterhielten. Moment. Das waren ja die gleichen, die wir auf der ersten Etappe schon getroffen hatten und in die andere Richtung gingen - wie funktioniert das? Schon wieder standen wir vor einem Mysterium. Wir wurden aufgeklärt; ein Freund von ihnen fährt sie zum Etappenstart und dann wandern sie zum Ziel. Ok, das kann man verstehen. Wir verabschiedeten uns und weiter ging's. Auf der vierten Etappe kamen uns zwei ältere Herren entgegen, mit denen wir uns kurz unterhielten …


Nach der sechsten Etappe kamen wir gut gelaunt in Dillenburg an. Die Stadt ist an sich ganz nett, wirkt jedoch etwas tot. Das merkt man auch am gastronomischen Angebot, weshalb das Tourabschluss-Essen in einem überhitzten und sauerstoffarmen asiatischen Schnellimbiss stattfand. Vom Schlossberg blickten wir in der Abendsonne über die Stadt und beendeten den Tag - und unser diesjähriges Wanderevent - bei einem gespritzten Aperol in der Hotelbar.

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