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Die 3.000er immer im Blick

Wie in den letzten beiden Jahren ging es auch in diesem Jahr wieder für ein paar Tage nach Österreich. Ziel war diesmal der kleine Ort Sölden im Ötztal. Im Winter ein Mekka für Ski- und Snowboardfans, im (Spät-)Sommer ist da eher nicht so viel los. Und das haben wir gegen Ende der dort verbrachten zehn Tage auch gespürt: Es wurde immer schwieriger, abends ein Lokal zu finden. Am letzten Tag mussten wir sogar in das Nachbardorf fahren, um nicht zu verhungern. Hier hat Sölden noch Potential - jedoch war das auch schon der einzige Kritikpunkt. Punkten kann die Gegend mit vielen imposanten Bergen, von denen viele locker über 3.000 Meter hoch sind. Einige davon mit einer weiß-gezuckerten Spitze. Hochgebirge also. Sölden liegt schon auf knapp 1.500 Meter, das ist höher als der Brocken im Harz.


Und diese Landschaft musste natürlich erkundet werden! Nicht unvorbereitet war das Ziel des ersten Tages die Langtalereckhütte bei Obergurgl. Dies ist eine von drei Hütten der Sektion Karlsruhe des Deutschen Alpenvereins, daher wird sie aus "Karlsruher Hütte" genannt. Also besuchten wir den Georg, der die Hütte bewirtschaftet. Bilderbuchwetter machte uns den Aufenthalt auf der Terrasse fast unerträglich: die Sonne brannte in dieser Höhe sehr stark und ich habe wieder mal einen Sonnenbrand bekommen. Die Hütte selbst gemütlich-urig, wie man sich halt so eine Berghütte vorstellt. Und die im Wind wehende Fahne des DAV Karlsruhe davor vermittelte doch ein heimisches Gefühl.


Am nächsten Tag wollte das gute Wetter weiter genutzt werden. Die Entscheidung fiel auf den Ötztaler Höhenweg. Dieser läuft vom ca. 2.800 Meter hoch gelegenen Tiefenbachgletscher bei Sölden bis nach Vent. Wandern im Hochgebirge ist anders. Steile Hänge und dünne Luft. Trotzdem waren wir bei weitem nicht die einzigen auf diesem Weg, der irgendwie das Gefühl von Einsamkeit und Ausgeliefert-sein vermittelte. Nach knapp 4 km zog Marco es dann vor, mit dem Helikopter der örtlichen Bergrettung nach Zams zu fliegen - die dünne Luft bekam ihm nicht gut. Vent stand an diesem Tag nun nicht mehr als Ziel, sondern Zams. Also bin ich den Weg zurück gelaufen und habe ihn mit dem Auto wieder abgeholt.



Da man in den Bergen ja nicht viel mehr machen kann als zu wandern (wenn man sich denn irgendwie aktiv betätigen will), mussten wir nun überlegen, wie wir die übrigen Tage gestalteten. Das sah dann so aus, dass ich die großen Touren allein gemacht habe und Marco sich in den Orten umgeschaut und einen Kaffee getrunken hat. Oder wir machten gemeinsam kleinere Touren, wie z.B. am nächsten Tag einen Spaziergang zum Stuibenfall, Tirols höchstem Wasserfall. Direkt am Wasserfall ist ein Klettersteig, den ich eigentlich begehen wollte. Ich hatte alles dabei, was man dazu so braucht. Nun stand ich aber vor der ca. 190 m hohen fast senkrechten Wand, daneben der Wasserfall und kam ins Grübeln. Innerlich habe ich nach Moni, meiner Kletterpartnerin gerufen. Aber die ist in Südafrika und guckt wilde Tiere. So einen Klettersteig kann man generell auch allein machen. Ich hatte aber zu viel Respekt und wollte das nicht allein tun. Also ließen wir uns von dem grandiosen Schauspiel des tosenden Wassers faszinieren.


Die Tour am nächsten Tag war eine, die ich allein machte. Ausgesetzt den Launen des Wetters und der Natur war dies in jedem Fall eine interessante Erfahrung. Ziel war der Schwarzkogel oberhalb von Sölden auf 3.016 m Höhe. Da die letzten 14 Meter aber mit Schnee bedeckt und ganz glitschig waren, habe ich mir den Besuch des Gipfelkreuzes ersparen müssen. Safety first! Beeindruckend hier war der Schwarzsee, ein Hochgebirgssee mit tiefblauem Wasser. Der Weg, der am See vorbeiführte, war kein herkömmlicher Weg. Es war ein Hang aus Steinen, den man irgendwie bewältigen musste. Der Abstieg von da oben sprach alle Sinne an - von der Vegetation des Hochgebirges in die des Mittelgebirges. Warme grüne, mit Heidekraut bewachsene Hänge erinnerten mich an die Saalehorizontale bei Jena. Hier konnte ich dann auch meine Hightech-Wanderstöcke wieder an den Rucksack binden - da habe ich sie eh am liebsten gesehen.


Auch die Tour am Samstag machte ich allein, obwohl es nicht hoch hinauf ging. Anstrengend war sie aber trotzdem. Auf Mittelgebirgsniveau ging es über den Adlerblick bei Längenfeld Richtung Gries. Highlight sollte die Hängebrücke sein. Diese Tour empfand ich als besonders schön. Es war wie Wandern im Harz, auch was die Gerüche betraf. Nur mit dem Unterschied, dass im Hintergrund immer irgendwelche sehr hohen Berge zu sehen waren. Bei Gries kamen mir einige Bauern mit ihren geschmückten Kühen entgegen; es war der Tag des Almabtriebs, der in Längenfeld gefeiert wurde. Zum Ende der Tour erreichte ich dann auch die Hängebrücke, die ganz witzig ist. Sie ist hoch, aus Stahl und schaukelt ein wenig. Die Höhe sieht man besser, wenn man nach erfolgreichem Übergehen die Brücke von unten betrachtet.



Am Abend gab es dann etwas ganz Besonderes: Eine Nachtwanderung auf dem Ötztaler Sagenweg. Dieser ist beleuchtet und hin und wieder gibt es geheimnisvoll angestrahlte Figuren, die Bilder aus Ötztaler Sagen widerspiegeln. Dass der Weg auf diese Art illuminiert ist, ist jedoch nicht selbstversändlich. Man muss das mit dem am Ende (oder Anfang) des Weges befindlichen Alpengasthof "Am Feuerstein" besprechen. Da geht dann jemand in den Keller und "schaltet den Weg ein". Witzigerweise gerieten wir in dem Gasthof mitten in eine traditionelle österreichische Hochzeit mit sehr vielen Menschen. Wir waren die einzigen, die nicht zu der Gesellschaft gehörten (zum Glück), bekamen somit aber kostenlose Unterhaltung in Form von einer recht guten Band und später von heimatlich-traditionellen Volksweisen. Sogar den ersten Tanz des frisch vermählten Paares durften wir miterleben ... Gut, das reichte uns und wir machten uns auf in die Dunkelheit.


Nach so viel Tradition brauchten wir etwas moderneres, urbanes. Also ging es am Sonntag in die Hauptstadt Tirols, nach Innsbruck. Ein paar Geschäfte hatten für die Touristen geöffnet und hier kauften wir uns eine Flasche Zirbenschnaps - lecker. Zirbe trifft man hier häufig an und als alkoholisches Destillat schmeckt sie nach dem Essen besonders gut.


Der einzige Tag mit Regen war der Montag. Also was tun? Unsere Gastwirtin meinte, dass wir einmal in das zollfreie Dorf Samnaun in der Schweiz fahren könnten. Viele ihrer Gäste würden das machen, weil es dort billig sei. Erst später erfuhren wir von ihr, dass sie selbst vor 20 Jahren das letzte Mal dort war. Ok, also auf in die Schweiz. Bei Regen kamen wir in dem Dorf an und es war irgendwie ganz furchtbar. In jedem Haus gab es mindestens einen Laden und es wurden billiger Ramsch bis teuerste Marken feil geboten. Beim genauen Hinschauen auf die Preise, die in Schweizer Franken deklariert waren, konnte man nach ein wenig Rechnerei aber erkennen, dass es gar nicht billiger war! Ein paar Sneaker von NB für 199 SFR? Nee, die bekomme ich in Karlsruhe wesentlich günstiger. Und auch Parfüm gibts bei amazon zu einem kleineren Preis. Ich konnte also die Popularität von diesem Ort keineswegs nachvollziehen. Warum fährt man dorthin und kauft ein?


Auf der Rückfahrt wählte ich eine andere Route: die "alte Straße" auf schweizer Seite. Diese Fahrt spülte Adrenalin durch meinen Körper: enge Straßen mit tiefen Abgründen und Tunnel, in denen weniger Platz ist als in einer kleinen Tiefgarage - natürlich mit engen Kurven. Entgegenkommen darf da niemand.


Nun war auch schon der letzte Tag gekommen. Diesen wollte ich noch einmal für eine Tour nutzen; das Wetter war einigermaßen gut. Ich entschied mich für die Brunnenberg-Alm oberhalb von Sölden. Hier kam ich auf knapp 2.000 m Höhe. Am Wegrand wuchsen wilde Himbeeren, von denen ich unbedingt welche probieren musste. Tolles Aroma. Auf den Höhen wurde es dann ziemlich windig und ich war froh, als es wieder nach unten ging. Der Weg war sehr schmal und schlängelte sich am Berg entlang. Plötzlich standen und lagen da Kühe auf diesem schmalen Weg. Irgendwie musste ich da vorbei, denn es gab keinen anderen Weg nach unten. Also habe ich erst einmal mit den Kühen geredet. Das hat die aber nicht interessiert. Nun drückte ich mich irgendwie an der ersten Kuh vorbei und hoffte, dass sie friedlich bleibt. Möglicherweise bekommen die Kühe öfters Besuch, daher ist das für die normal. Alle waren also lieb und ich bin wohlbehalten im Tal angekommen.



Ein paar Worte noch zu unserer Pension "Haus Wiesenblick". Durch die vielen sehr guten Bewertungen bei booking.com bin ich auf das Haus aufmerksam geworden. Kann eine Pension wirklich so gut sein? Also selbst mal testen. Schon die herzliche Begrüßung durch die Wirtin, Frau Gritsch, stimmte uns auf die kommenden Tage ein - es gab erst einmal einen Obstler. Sie zeigte uns danach unser Zimmer und alles andere, was wir nutzen durften. Schnell mochten wir uns und von nun an waren wir "ihre Jungs". Es war alles perfekt; man merkte, dass das Wohl der Gäste vor den wirtschaftlichen Interessen stand. Sowas hat man selten.

P.S. Die gemachten Touren mit vielen Fotos sind wie immer auf meinem Profil bei komoot zu finden.

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